Walter de Maria und die 7000 Eichen – NY Tag 2

Chelsea: The High Line

Unser zweiter Tag in New York ist – mehr zufällig als geplant – zu einem Walter-de-Maria-Tag geworden. Zum Glück, denn das, was in einem ziemlich kleinen Umkreis von Walter de Maria und der Dia Foundation zu sehen ist, ist wirklich beeindruckend. Eigentlich wollten wir den Tag mit der Goldreserve der Federal Reserve Bank beginnen. Leider, leider gab es die nächsten freien Besichtigungstermine erst am 31. Januar.

Walter de Maria – The New York Earth Room

Also sind wir kurzerhand nach Soho gelaufen um uns The New York Earth Room von Walter de Maria anzuschauen. Wichtig: die genaue Adresse lautet 141 Wooster Street. Auf gut Glück läuft man leicht am Eingang vorbei.

Walter de Marias New York Earth Room

Walter de Maria: The New York Earth Room

Dort angekommen, laufen wir über eine schmale Treppe in den zweiten Stock. Bis hierhin ist alles völlig unscheinbar und es tut mir fast leid, überhaupt hierher gekommen zu sein. Ich habe zwar gehört, dass der Earth Room toll sein soll – gerade jetzt fange ich aber ernsthaft an zu zweifeln. Zu Unrecht wie sich gleich herausstellen wird! Hinter der nächsten Ecke wartet nämlich schon die Erde. Und die ist der Wahnsinn: Ich weiß nicht genau warum, aber soviel Erde kniehoch in einem Apartement aufgeschüttet ist extrem beeindruckend! Nach ein paar Minuten habe ich mich wieder gefangen und sofort kommen mir tausend Fragen. Sehr praktisch, dass eine Ecke weiter ein netter Herr sitzt, der die Antworten hat.

Dieser Herr arbeitet bereits seit 28 Jahren dort. Er harkt einmal pro Woche die Erde, um den Originalzustand zu erhalten. Früher hat er noch tiefe Löcher gegraben, um den Fußboden zu kontrollieren. Das tut er aber schon seit einiger Zeit nicht mehr – die schützende Plastikfolie scheint unkaputtbar zu sein. Das ist besonders interessant, da die Installation ursprünglich nur für 3 Monate geplant war. Die Dauerausstellung ist eigentlich ein Versehen: Die Erde wurde 1977 bei Schließung der Galerie einfach zurück gelassen und dadurch eher zufällig erhalten. Zum Glück!
Zum Schluß hat der nette Herr noch einen Tipp: Zwei Blocks weiter (393 West Broadway) befindet sich „The Broken Kilometer“, ebenfalls von Walter de Maria.

Walter de Maria – The Broken Kilometer

Und wo wir schonmal in der Gegend sind, schauen wir uns diesen Kilometer natürlich auch noch an. Was soll ich sagen: The Broken Kilometer ist fast noch besser als The Earth Room. In einem großen, ansonsten völlig leeren Raum, liegen fünf Reihen mit jeweils 100 Messingstäben, jeder zwei Meter lang. Total irre. Betrachtet man die Stäbe lange genug, scheinen die hinteren zu schweben. Und dann kommen wieder diese Fragen. Zum Glück sitzt hier eine nette Dame (Patti), die die Antworten hat.

The Broken Kilometer, Walter de Maria

Patti, die Frau mit den Antworten (Walter de Maria, The Broken Kilometer)

Patti arbeitet seit 24 Jahren dort und kümmert sich um das Werk: Sie entstaubt es regelmäßig. Und alle zwei Jahre werden die Stäbe während der Sommerpause poliert. Dazwischen korrodieren sie um zu zeigen, dass die Zeit vergeht. Das allein ist schon interessant. Aber es gibt noch ein paar praktische Aspekte, die auch nicht ohne sind: Um den Eindruck der Gleichmäßigkeit zu erwecken, muß der Abstand zwischen den Stäben vergrößert werden. Und zwar von Stab zu Stab um 5 Millimeter. Die ersten beiden Stäbe liegen 8 Zentimeter von einander entfernt. Bei den letzten beiden Stäben sind es dann 57 Zentimeter. Aber es geht noch weiter: Auf meine Hausfrauen-Frage nach den Problemen beim Staubwischen (wie kommen Sie zwischen die Stäbe? verrutschen die Stäbe nicht beim Putzen?) holte Patti diese Konstruktion hervor:

The Broken Kilometer, Walter de Maria

Befestigung der Stäbe / Walter de Maria, The Broken Kilometer

Diese Konstruktion zeigt die Vorrichtungen, mit denen die Stäbe an Ort und Stelle gehalten werden. Die ersten Reihen lehnen an kleinen Stiften, die leicht aus dem Boden schauen. Das ist der kleine Knubbel ganz rechts auf dem Bild oben. Je weiter hinten die Stäbe liegen, desto größer werden die Befestigungen. Die hinteren Stäbe „schweben“ schließlich ein paar Zentimeter über dem Boden – Dank der Vorrichtung ganz links auf dem Bild. Auch wenn ich den Trick damit verraten habe – die Wirkung von The Broken Kilometer ist immer noch die gleiche. Versprochen.

Übrigens, Patti und Bill (so heißt der netter Herr, der auf The New York Earth Room aufpaßt) sind verheiratet. Und zwar schon länger, als sie für die Dia Foundation arbeiten!

7000 Eichen auf der Dokumenta 7 – Fortsetzung in New York

Die Dia Foundation – die sich u.a. um die Erhaltung der beiden Walter de Maria-Werke kümmert – hat noch ein anderes Projekt initiiert: die Fortsetzung der 7000 Eichen von der Dokumenta 7. Wer zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen möchte, dem empfehle ich einen Spaziergang über die High Line. Diese umgenutzte Bahntrasse bietet auf ca. 1,5 Kilometern tolle Installationen und interessante Ausblicke. Aber als absolutes und total verstecktes Highlight kann man von dort aus die Fortsetzung der 7000 Eichen betrachten. Sie befinden sich auf der West 22nd Street zwischen der 10ten und 11ten Straße:

7000 Eichen in New York, Dia Foundation

Fortsetzung der 7000 Eichen in New York / Dia Foundation

Auf dem weiteren Weg gibt es noch viele schöne Motive. Und am Ende der High Line erfährt man auch noch, wo die kleinen Bahnen schlafen gehen. In diesem Sinne: Gute Nacht und träumt schön!

Nachtquartier der U-Bahnen

High Line, Nachtquartier der U-Bahnen

Wer noch etwas weiterlesen möchte, dem empfehle ich den Post von gestern: New York – arschkalt, aber egal

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