Fotofestival in La Gacilly

Festival La Gacilly Photo

Kennt ihr das? Dieses Gefühl von „ich weiß Bescheid“? Oft verbunden mit einem Subtext von „und ihr nicht“? Dann kennt ihr bestimmt auch den Moment, in dem man wieder auf den Boden der Tatsachen zurück geholt wird. Besonders peinlich ist das natürlich, wenn man sich vorher durch unüberlegte Bemerkungen als Kennerin positioniert hat. Als dann die Sprache auf das Fotofestival in La Gacilly kam, …. La Was? Nie gehört.

Meine Schwiegermutter schaute etwas verwirrt. Mit soviel Unkenntnis hatte sie nicht gerechnet. Und berichtete dann umso ausführlicher: La Gacilly ist ein charmantes Örtchen in der Bretagne, ganz in der Nähe von Rennes. Einmal im Jahr findet dort ein Fotofestival statt. Das Besondere daran: Alles spielt sich draußen ab. Letztes Jahr war das Thema „Japan“ und die Ausstellung muss umwerfend gewesen sein. Ich wurde immer neugieriger. Sie erzählte weiter. Dann stand der Entschluss fest: Das müssen wir uns ansehen! Gesagt, getan.
Wir waren – warum auch immer – der Meinung, dass dieses Fotofestival nichts für Kinder sei. Deshalb ließen wir die Mädels bei Oma und Opa und machten uns kurzerhand zu zweit auf den Weg. Glücklicherweise waren wir bereits in der Normandie, so dass wir nur noch zweieinhalb Stunden bis La Gacilly zu fahren hatten.

La Gacilly – Fotofestival Open Air

Und tatsächlich, der ganze Ort ist eine einzige Ausstellungsfläche. Bis auf eine Ausnahme sind alle Bilder draußen über die Stadt verteilt: Sie hängen an Häuserwänden, Mauern oder an eigens dafür errichteten Ständern auf den umliegenden Wiesen und Gärten. Dass es so toll ist, damit hatte ich nicht gerechnet.

Fotofestival La Gacilly, Nairobi Nationalpark

Paras Chandaria, Fotofestival La Gacilly 2017

Wildlife vs Großstadt – Fotofestival kontrastreich

Das Thema in diesem Jahr ist „Afrika“. Und es wird wirklich ausführlich behandelt: angefangen bei Fotografen, die in Afrika arbeiten oder die aus Afrika stammen. Mit einer Dokumentation über das Leben in Afrikas Großstädten in den 1950er Jahren. Als Fotomotiv: von Wildlife-Motiven bis hin zu einer Fotostrecke über illegale Ölraffinerien. Und deren Folgen für die Umwelt und die Gesundheit der Menschen, die dort arbeiten. Von leichter Kost bis hin zu Bildern, die einem noch lange schwer im Magen liegen, Thema Wilderei und Elfenbein.

Fotofestival La Gacilly 2017, Paras Chandaria, Strauße im Nairobi Nationalpark

Strauße, Fotofestival La Gacilly 2017, Paras Chandaria

Ungefähr dazwischen liegen die Arbeiten von Paras Chandaria. Weit entfernt von leichter Kost, aber man kann nachts gut schlafen: Er fotografiert in Kenia Wildtiere im Nairobi Nationalpark vor der Kulisse der Großstadt. Ein interessanter Kontrast von modernem Lebensstil und Wildnis. Bzw. dem, was von der Wildnis noch übrig geblieben ist. Präsentiert werden diese Arbeiten auf großen Leinwänden mitten im Ort. Prädikat: besonders wirkungsvoll.

Lebensraum: künstlich vs natürlich

Einen Kontrast der anderen Art findet man bei Eric Pillot: In seiner Serie „In Situ“ fotografiert er Wildtiere im Zoo. Dazu hat er sich einen besonderen Zoo ausgesucht (ich weiß leider nicht welchen), in dem die Tiere in relativ sparsam möblierten Gehegen leben. Im Gegensatz dazu imitieren die Wände fast schon absurd realistisch den natürlichen Lebensraum der Bewohner. Die ganze Serie kann man sich hier anschauen.

Ähnlich kontrastreich fotografiert Tim Flach die Tiere: Er platziert sie in seinem Londoner Atelier vor einem einfarbigen, oft schwarzen Hintergrund. Dadurch lenkt nichts von den Gesten der Tiere ab und man kann sich vollkommen auf deren Ausdruck konzentrieren. Aus der Serie „plus qu’humains“ (mehr als menschlich) haben mir die Affenprotraits besonders gut gefallen. Allerdings waren die Hunde auch spitzenmäßig.

Tim Flach, Fotofestival La Gacilly

Fotofestival La Gacilly, Tim Flach, Gibbon

Fotofestival drinnen

Ein weiteres Highlight ist der Film „La Piscine“ von François-Xavier Gbré. Er erzählt die Geschichte des Schwimmbads von Bamako, ursprünglich gebaut, um die Africa Games (= Olympiade Afrikas) 1969 auszutragen. Diese wurden leider 1968 wegen eines Militärputsches abgesagt. Dumm gelaufen. Nun hatte man aber dieses Schwimmbad olympischen Ausmaßes und hat es intensiv genutzt. 2005 war leider Schluss: Es musste wegen akuter Einsturzgefahr geschlossen werden. Aber diese Geschichte hat ein Happy End: 2010 konnte das Schwimmbad wiedereröffnet werden, nachdem es mit Hilfe einer chinesischen Firma komplett saniert wurde.
Angenehmer Nebeneffekt dieses Films: Man versteht ihn auch, wenn man kein Französisch spricht.

Campingplatz rives nature: Kunst ensuite

Hier noch ein praktischer Tipp für alle, die in La Gacilly übernachten möchten: Nehmt den Campingplatz. Schlaftechnisch ist für jeden etwas dabei: Zelt, Wohnwagen oder kleines Haus. Die Wohnwagen erinnern an die amerikanischen Siedler auf ihrem langen Trek gen Westen. Lieder waren sie schon komplett ausgebucht, so dass wir auf das kleine Haus zurückgegriffen haben. Ein Zelt im Tipi-Stil wäre bei etwas besserem Wetter bestimmt auch toll gewesen. Egal welche Unterkunft man wählt, hat der Campingplatz einen ganz entscheidenden Vorteil: Er liegt direkt an den Ausstellungswiesen. Man muß nur durch ein kleines Törchen gehen und steht direkt mitten in der Ausstellung. Sehr praktisch.
Und soviel ist schonmal sicher: Jetzt, da ich La Gacilly endlich kennen gelernt habe, werde ich im nächsten Jahr bestimmt wieder kommen. Und für alle, die nicht bis nächstes Jahr warten möchten: Das Festival geht noch bis zum 30. September!

 

Website Festival Photo La Gacilly        Campingplatz Rives Nature      Website Tim Flach
Website Francois-Xavier Gbré

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